Solidarität mit dem Streik in der Schweiz
Am Freitag, den 14. Juni 2019 wurde in der ganzen Schweiz zum feministischen Streik aufgerufen! Allein in Zürich gingen 160.000 FLINT* Personen und solidarische Männer auf die Straße. in vielen weiteren Städten wurde gestreikt und gestritten. Insgesamt waren eine halbe Millionen Menschen am Streik beteiligt und war somit die größte Beteiligung bei einem politischen Streik in der Schweiz. Auch wir waren mit dabei in Zürich, zusammen mit dem Streik Komitee aus Stuttgart.
Ein Manifest mit den Gründen, warum es nötig ist weiter zu streiten und zu streiken, findest du HIER von dem Züricher Streik Kollektiv, sowie weitere Infos auf ihrer Hompage.
Anschließend findet ihr einen Bericht von uns aus Zürich und aus Nürnberg.

Auch hier in Nürnberg haben wir zu einem solidarischen Stuhlstreik vor der Lorenzkirche aufgerufen. Mit Flyern, Schildern, Transparenten und kleinen Give-Aways besetzten wir den öffentlichen Platz vor der Lorenzkirche und machten somit auf den feministischen Streik in der Schweiz aufmerksam, als auch auf den geplanten Streik in der BRD im März 2020!
In Nürnberg haben wir bei dieser Aktion insbesondere auf die Luxussteuer aufmerksam gemacht, die nach wie vor auf Hygieneartikel wie Tampons verhängt wird. Dazu haben wir kleine Tütchen mit dem Slogan „Mein monatlicher Luxus. Das bin ich mir wert!“ zusammengestellt und an die Passant*innen verteilt, darin enthalten war als besonders Give-away: Flyer mit Infos über die Luxussteuer, ein Tampon, Sticker von Vulvinchen und ein Flyer fürs FLIT-Komitee Nürnberg. Zusätzlich wurde Infomaterial zum feministischen Streik in der Schweiz verteilt.
Gerne möchten wir unsere Materialien und Ideen zur Verfügung stellen. Eine Anleitung zum Erstellen der Luxus Tütchen sowie einen Bericht von der Aktion in Nürnberg findest du anschließend.
Zürich
In Zürich begann es bereits mit einer lärmenden Nachtdemo, als Tausende mit Kochlöffel und Töpfen den Streik „eintrommelten“. Stundenlang waren sämtliche Straßen gesperrt, Kreuzungen wurden blockiert und die Stadt über erhebliche Zeit lahmgelegt. Neben den großen Demos fanden den ganzen Tag über viele verschiedene Aktionen statt, sei es an der Uni, in Geschäften und Betrieben oder aber auf öffentlichen Plätzen. Viele FLINT Personen beteiligten sich aktiv am Streik. Dabei wurde zum Teil der gesamte Freitag bestreikt oder nur die Zeit ab 15:24 Uhr, was die zeitliche Umrechnung der Lohndifferenz darstellt. Wieder andere legten eine 3-stündige Raucherinnen* Pause ein oder zeigten durch Transparente aus ihren Fenstern Solidarität mit den Streikenden, wenn sie selbst nicht in der Lage waren, sich am Streik zu beteiligen. Soli-Küche und Kinderbetreuung wurde von solidarischen Männern organisiert. Die unterschiedlichen Lebenslagen, in denen sich FLINT* Personen mit patriarchalen Strukturen konfrontiert sehen, wurden durch die Vielfalt der Inhalte, der Aktionen und Ausdrucksformen sichtbar.
Wir sind begeistert, dass der feministische Streik in der Schweiz so ausdrucksstark war und eine so hohe Beteiligung an Menschen aus diversen Spektren aufweisen kann.
Wir sind motiviert und hoffnungsvoll, dass auch wir es im März 2019 schaffen, mit unserem Streik ein so deutliches Zeichen zu setzen – für eine intersektionale, feministische Bewegung, weltweit!
Nürnberg | Luxustütchen
Vorab | Tampons sind Luxusgüter, denn sie werden mit 19 % werden besteuert. Lebensmittel, die zur Grundversorgung zählen, werden mit 7% besteuert. Das die Menstruation nichts ist, was wir uns aussuchen, ist doch irgendwie klar. Aber Periode, Kinobesuch, ist doch alles das gleiche? Im Gegensatz dazu werden Trüffel, Schnittblumen, eine Fahrt mit dem Skilift mit 7 % besteuert. Klar doch, ohne Trüffel und Skilift wäre der Alltag von uns öde und trübsinnig! Na gut, Sarkasmus beiseite.
Um auf die aktuelle Situation der Tampon Besteuuerung aufmerksam zu machen, ist diese Idee entstanden. Denn mit der Besteuerung als Luxus, geht eine gewisse, nämlich patriarchale und kapitalistische, (Be-) Wertung der weiblichen* Menstruation einher, von der soviele Menschen außer Männer betroffen sind. Diese weibliche* Ausbeutung im Kapitalismus wollen wir angreifen, wofür das Tampon für ein ‘harmloses‘, jedoch so eindeutiges Beispiel steht.
Unsere Forderung: Menstruationshygiene gehört zum Grundbedarf, daher soll die Mehrwertbesteuerung von 19 % auf 7% gesenkt werden, wenn die Artikel schon nicht umsonst sind, wie es sein könnte/sollte!
*FLINT: FrauenLesbenInterNon-binaryTransgender Personen
Ein persönlicher Erfahrungsbericht einer Aktivistin aus dem FLINT* Komitee Nürnberg
„Wer in der Innenstadt unterwegs ist, will oft nicht angesprochen werden. Mit der Frage „Darf ich dir ein Luxustütchen schenken?“ bekam ich allerdings schnell Aufmerksamkeit. „Was ist da drin?“, wurde ich gefragt. Mit einer kurzen Beschreibung zur Luxussteuer auf Periodenartikel hatte ich Interesse geweckt. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Einige Frauen nickten wissend und kommentierten, dass es wichtig sei das Thema anzusprechen. Eine Sauerei sei das und wir sollten weiter darauf aufmerksam machen, damit der Mehrwertsteuersatz gesenkt wird. Einige Frauen waren total überrascht: „Was? Ist das wirklich so?“. Ungläubig und empört nahmen sie die Infos dankend an.
Besonders lustig sind mir zwei Situationen in Erinnerung geblieben. Ich sprach zwei Frauen an, beide lehnten eher desinteressiert ab. Ich setze nach: „Es geht um die Tamponsteuer!“. Abprubt bleibt eine Frau stehen, hält die andere fest und dreht sich auf dem Absatz mit den Worten „Oh Moment, das ist wichtig!“ um. Plötzlich waren beide voll bei der Sache und sehr interessiert. Es ist schön zu sehen, dass das Thema als notwendig betrachtet wird.
Eine andere Situation: Ich gehe wieder auf zwei junge Frauen zu, plötzlich flüstert die eine zur anderen: „Huh, die Feministinnen!“. Ich liebe Slapstick-Situationen und steige darauf ein: „Was? Wie? Wo sind die Feministinnen? Schnell weg hier!“ Wir müssen lachen. Ich darf meine Tütchen verteilen und wir kommen gut ins Gespräch. Zum Schluss können wir uns witzelnd einigen, dass die Feministinnen doch nicht so schlimm sind.
Bei den anderen Frauen gibt es auch tolle Erfahrungen. Eine Amerikanerin wird angesprochen, nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass sie in Deutschland lebt, aber hauptsächlich mit anderen Amerikanerinnen verkehrt. Sie fragt: „What can we do for you?“. So entsteht Vernetzung! Yeah!
Beim Austausch im Anschluss wurden aber auch unangenehme Erfahrungen mitgeteilt. Zum Beispiel wurde eine Familie angesprochen, die Frau war interessiert und wollte ein Tütchen nehmen. Ihr Mann untersagte ihr das jedoch. Daraufhin wurde der Mann direkt angesprochen mit der Frage „Darf ihre Frau nicht entscheiden, mit wem Sie redet?“. Und die Antwort des Mannes lautete: „Nein, ich verbiete es“. Auch ein älterer Herr konnte scheinbar mit der Solidaritäts-Aktion nichts anfangen und diskutierte zuerst recht lang, wurde dann sogar aggressiv und beleidigend („Ihr scheiß Weiber seid alle gleich!“). Er konnte erst durch mehrere Frauen dazu gebracht werden zu gehen. Mein Kopfkino zu dem Satz: „Ihr scheiß Weiber seid alle gleich!“ ist eine Gegenüberstellung. Wie wäre es, wenn sich eine Frau vor eine Männergruppe stellt, sie beleidigt und beschimpft und sagt: „Ihr scheiß Männer seid alle gleich!“. Kurz darüber nachgedacht, ist es eine Nonsens-Behauptung, so oder so. Es belustigt mich und gleichzeitig ist es traurig, dass in manchen Köpfen noch so strikte Geschlechterrollen herrschen.
Insgesamt können wir sagen, war die Aktion ein großer Erfolg. Es gab viele Rückfragen, gute Gespräche und Bestätigung. Wichtig war für uns die Aufklärung zum Thema Luxussteuer und Aufmerksamkeit für die streikenden Schweizerinnen! Und das haben wir geschafft. „
Material und Anleitung zum Erstellen der Luxustütchen
https://femstreiknbg.home.blog/material/