International/Historisch

International

Wir streiten, streiken und kämpfen – international

Noch bevor sich 2017 die #MeToo Kampagne in den USA formiert, die erneut das Ausmaß gewaltbetroffener Frauen* sichtbar macht, schreiben die Massenproteste in Argentinien Schlagzeile, die sich gegen jegliche Formen sexistischer Gewalt richten. So legen am 19. Oktober 2016 tausende protestierende ihre Arbeit nieder, Milion von Frauen, Queers und solidarischen Männern tragen an diesem Tag ihre Wut und Empörung auf die Straßen von Buenos Aires. Bereits 2014 etabliert sich die Ni Una Menos Bewegung (nicht Eine Weniger), die schließlich zum Streik 2016, 2017 sowie 2018 führt. Schließlich – neben Argentinien – führt sie auch zum Streik in weiteren Ländern:
In Spanien verlassen sie die Arbeitsplätze, stören den Verkehr, verweigern die
Hausarbeit. In Polen gehen tausende Aktivist*innen für ihr Recht auf geschlechtliche, körperliche und sexuelle Selbstbestimmung auf die Straße, in Chile besetzen sie Universitäten. Damit sind nur exemplarische wenige Länder sowie feministische Streik Proteste genannt.

Femizide und geschlechtsspezifische Gewalt kann als Gegenstand der Ni una
Menos Bewegung gesehen werden – alle 30 Stunden wird in Argentinien eine Frau von meist einem Mann, häufig aus dem eigenen sozialen Umfeld, getötet.
In ihrem Aufruf werden weitere, vielschichtigere Formen der Gewalt sichtbar. Ni Una Menos bezieht sich somit explizit auf weitere Ungleichheitsverhältnisse. Ni Una Menos zum Streik 2018:

Mit dem Instrument des Streiks können wir die Gewalt, der wir ausgesetzt sind, sichtbar machen, kritisieren und bekämpfen. Diese ist keine private oder häusliche Angelegenheit, es handelt sich vielmehr um eine Gewalt, die ökonomische, soziale und politische Ursachen hat, die die Form von Ausbeutung und Enteignung annimmt und jeden Tag schlimmer wird: Es geht um Entlassungen, um die Militarisierung von ganzen Landstrichen, um Konflikte um neoextraktivistische Ausbeutung, um natürliche Ressourcen oder um die Erhöhung der Nahrungsmittelpreise, um die Kriminalisierung von Protesten und von Migration“ (Ni Una Menos (Hrsg.) 2018, zit. n. Mason- Deese 2018).

Das Zitat soll deutlich machen: Gewalt wird als Folge ökonomischer, sozialer und politischer Ursachen betrachtet und ihr Kampf richtet sich neben anderem, gegen jede Form der Ausbeutung, gegen Entlassungen, Militarisierung, Ausbeutung natürlicher Ressourcen,
Kriminalisierung von Protesten und Migration.

Mason-Deese (2018): „Von Metro zu WeStrike“, hrsg. v. Luxemburg – Zeitschrift. Online verfügbar: https://www.zeitschrift-luxemburg.de/von-metoo-zu-westrike/

Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW (Hrsg.) (2019): „Frauen*streik 2019“. Online verfügbar unter: https://nrw.rosalux.de/dokumentation/id/39927/frauenstreik- 2019/

Historisch
Ein Blick zurück – Wir sind nicht die Ersten

Der Frauen*streik/Feministischer Streik ist ein Instrument einer Internationalen Bewegung – keine Frage! Dies zeigen uns die vielen feministischen Streiks, die bereits weltweit ausgetragen wurden:
Eine unvollständige Auswahl historischer Frauen*streiks/Feministischer Streiks:

(zitiert von Frauenstreik.org: https://frauenstreik.org/wir-sind-nicht-die-ersten-blicke-zurueck/)

Verweis außerdem: Frauen* und Streiks historisch gesehen!
Von: Artus, Ingrid (2019): „Frauen* und Streiks – historisch gesehen“, hrsg. v. Rosa Luxemburg-Stiftung. Online verfügbar unter: https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Analysen/Analysen54_FrauenStreik.pdf

und: die dritte Welle des Feminismus!
von: Arruzza, Cinzia (2019): „Die dritte Welle des Feminismus. 8. März. Von Frau- enstreiks zu einer neuen Klassenbewegung“, hrsg. v. ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis. Online verfügbar unter: https://www.akweb.de/ak_s/ak646/07.htm

1600
Der Streik der Haudenosaunee-Frauen* gilt laut „Global Nonviolent Action Database“ als die erste feministische Rebellion in der Geschichte Amerikas: Sie wollen ein Veto-Recht bei Entscheidungen über Kriege erkämpfen und verweigern deshalb erst Sex und Schwangerschaften, später enthalten sie den Männern* Kleidung und Nahrung vor – da sie diejenigen sind, die den Zugang zur Landwirtschaft kontrollieren. Der Streik der Frauen* hat Erfolg.

1844
Der „Weber-Aufstand“ in Schlesien wird laut der Historikerin Gisela Notz zu großen Teilen von Frauen* getragen. Die Industrialisierung hat zu großer Verarmung geführt, die Arbeiterinnen* fordern gerechte Löhne und eine würdige Behandlung durch die Fabrikanten. Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen.

Artikel in der ak
LeMO – Lebendiges Museum Online

1893
Als in Wien die 17-jährige Appreturarbeiterin Amalie Seidel ihre Kolleginnen* zu überzeugen versucht, dass sie ihre Arbeitsbedingungen verbessern können, wenn sie sich geschlossen dafür einsetzen, wird sie entlassen. Die anderen Arbeiterinnen* nehmen das nicht hin. Sie fordern die Wiedereinstellung von Amalie Seidel und eine Arbeitszeitverkürzung von 12 auf 10 Stunden pro Tag. Als dem nicht nachgekommen wird, verlassen sie gemeinsam die Fabrik. In den folgenden Tagen schließen sich weitere Frauen* und Mädchen* aus anderen Fabriken an. Der Ausstand dauert 3 Wochen, dann werden ihre Forderungen umgesetzt: Ein Mindestlohn, die Wiedereinstellung von verhafteten Frauen und der 10-Stunden-Tag. Als „Streik der 700“ geht der Arbeitskampf der Appreturarbeiterinnen* in die Geschichte ein.

Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie
Artikel in der ak
 

1973
2000 Frauen, allen voran migrantische Frauen*, treten bei der Automobilzuliefererfirma Pierburg-Neussin in einen wilden Streik. Die Männer*, die die dieselbe Arbeit tun, erhalten wesentlich mehr Lohn. Die Polizei greift hart durch, doch die Arbeitsniederlegung hat Erfolg: Die „Leichtlohngruppe II“, in der nur Frauen beschäftigt sind, wird abgeschafft. Der Streik

Film „Pierburg – ihr Kampf ist unser Kampf“ (labournet.de)
Artikel RP-online

1975
90% der isländischen Frauen* treten in den Ausstand. Schulen, Kindergärten, Fabriken, Banken, Geschäfte bleiben geschlossen. Sie kämpfen für gleiche Löhne und für eine Wertschätzung ihrer Arbeit – im Haus und außerhalb. 25.000 Frauen* versammeln sich in Reykjavik, tauschen sich aus, halten Reden – und haben ihr feminist awakening. Fünf Jahre später wird Vigdis Finnbogadottir zum ersten weiblichen Staatsoberhaupt.

BBC-Artikel
Artikel im Guardian
Tagesspiegel-Artikel
 

1991
Erst 10 Jahre zuvor [!] hatten sich die Schweizer dazu durchgerungen, die Gleichstellung in der Bundesverfassung zu verankern. Wenig verwunderlich, dass die Löhne von Männern* und Frauen* 1991 kaum vergleichbar waren, und auch die Umsetzung des Gleichstellungsartikels ließ auf sich warten. Ein Frauen*streik musste her, fanden Uhrenarbeiterinnen*, und die meisten Frauen*organisationen des Landes schlossen sich an. Durch deren Druck unterstützten schließlich auch Gewerkschaften den Streik. Der Ausstand hatte Folgen: Mitte der 1990er Jahre wurde endlich ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet. Vor allem aber waren durch den Streik Netzwerke entstanden, die auch in den Folgejahren politisch einflussreich blieben.

Filmische Dokumentation (Youtube)
Überblickstext des Schweizerischen Sozialarchivs

1994
Frauen* in ganz Deutschland streiken. Gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, gegen miese Bezahlung, gegen den Abbau von Sozialleistungen und die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Und vor allem die ostdeutschen Frauen* waren entsetzt, dass der § 218 jetzt auch für sie gelten sollte.

„Die Wiederherstellung eines großen Deutschlands findet auf Kosten von Flüchtlingen, auf Kosten der „Anderen“, der Schwachen der Armen UND AUF KOSTEN VON FRAUEN STATT.“ (Auszug aus einem Flugblatt)

Hannovers Frauen in Bewegung (Dokumentation der Aktionen zum Frauen*streik mit Fokus auf Hannover und Umgebung)

Artikel in der taz

2003
Christliche und muslimische Frauen* erzwingen ein Ende des Bürgerkrieges in Liberia: Die Bewegung „Women of Liberia Mass Action for Peace“ zwingt Präsident Charles Taylor und Rebellengruppen zu Friedensverhandlungen. Hunderte Frauen* belagern währenddessen das Hotel, in dem die Verhandlungen stattfinden. Sie verschließen die Räume, verweigern den Gang zur Toilette, drohen, sich auszuziehen, sollten die Konfliktparteien die Räume ohne Abkommen verlassen. Auch Versuche der Männer*, aus den Fenstern zu entkommen, sollen gescheitert sein. Nicht zuletzt dieser Einsatz der Frauen* trägt zum Ende des 14 Jahre dauernden Bürgerkriegs bei.

Report des Centre for Humanitarian Dialogue

Trailer Dok-Film „Pray the devil back to hell“

2016
In Reaktion auf eine geplante Verschärfung der eh schon strikten Abtreibungsgesetzgebung legen in Polen Zehntausende Frauen* die Arbeit nieder und gehen als „Schwarzer Protest“ auf die Straße. Der Gesetzentwurf sieht ein völliges Abtreibungsverbot vor; Eingriffe in die körperliche Selbstbestimmung sollen so weitreichend sein, dass befürchtet wird, selbst eine Fehlgeburt könne zu einer Gefängnisstrafe führen. Der Massenprotest der Frauen* führt zum Erfolg. Das Parlament stimmt gegen den Entwurf.

Artikel im Guardian
Report von Amnesty International
 

2017/2018
In über 50 Ländern rufen Frauen* 2017 zum „International Women’s Strike“ am 8. März auf –
für gleiche Bezahlung, gegen häusliche Gewalt und Feminizide, für körperliche Selbstbestimmung, in den USA auch gegen Präsident Trump und seine unverhohlene Verteidigung der rape culture. Auch 2018 wird wieder mobilisiert; in Spanien etwa legen am 8. März über 5 Millionen Frauen* die Arbeit nieder.

Artikel von nbc news
Artikel im Handelsblatt

(zitiert von Frauenstreik.org: https://frauenstreik.org/wir-sind-nicht-die-ersten-blicke-zurueck/)

2019
Am 14. Juni wurde in der gesamten Schweiz zum Frauen*streik/Feministischen Streik aufgerufen. Allein in Zürich gingen über 160.000 Menschen auf die Straße.
Ein Manifest mit den Gründen, warum es nötig ist weiter zu streiten und zu streiken, findest du HIER von dem Züricher Streik Kollektiv, sowie weitere Infos auf ihrer Hompage.
Einen kurzen Bericht zum Streik von uns, findest du HIER.